Migräne ist der wichtigste Risikofaktor für Schlaganfälle im jüngeren Alter

Den meisten Schlaganfällen liegen bekannte Risikofaktoren zugrunde, etwa Bluthochdruck, hohes Cholesterin, Typ-2-Diabetes, Rauchen, Adipositas, Bewegungsmangel, Alkoholmissbrauch oder eine Koronare Herzkrankheit (KHK). Neuere Studien weisen jedoch ein zunehmendes Auftreten von Schlaganfällen bei jüngeren Menschen auf, die diese Risikofaktoren nicht aufweisen.
Die Forschungsgruppe identifizierte in einer Krankenversicherungsdatenbank im US-Bundesstaat Colorado 2.618 Personen, die einen Schlaganfall erlitten und matchten sie mit mehr als 7.827 Personen ohne Schlaganfallhistorie. Der Vergleich dieser beiden Personengruppen sollte die Risikofaktoren eruieren, die am häufigsten mit Schlaganfällen verbunden waren.

Die Analyse ergab, dass nicht-traditionelle Schlaganfall-Risikofaktoren wie Migräne, Blutgerinnungsstörungen, Niereninsuffizienz, Autoimmun- und Krebserkrankungen bei Personen im Alter von 18-44 Jahren signifikant mit der Entwicklung eines Schlaganfalles assoziiert sind.
Bei den 18- bis 34-Jährigen waren mehr Schlaganfälle mit nicht-traditionellen Risikofaktoren assoziiert (31,4 % bei Männern und 42,7 % bei Frauen) als mit traditionellen Risikofaktoren (25,3 % bei Männern und 33,3 % bei Frauen).

Migräne war der wichtigste nicht-traditionelle Schlaganfall-Risikofaktor bei den 18- bis 34-Jährigen. Sie war bei 20,1 % der Schlaganfälle bei Männern und 34,5 % der Schlaganfälle bei Frauen assoziiert. Nicht-traditionelle Risikofaktoren spielten in der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen bei 26,4 % der Männer und 39,8 % der Frauen eine Rolle, wobei traditionelle Schlaganfall-Risikofaktoren bei Männern mit 32,8 % und bei Frauen mit 39,7 % eine Assoziation zeigten.
Ab 45 Jahren steigt die Bedeutung traditioneller Risikofaktoren: 19,4 % der Schlaganfälle waren bei Männern und 27,9 % der Schlaganfälle bei Frauen mit nicht-traditionellen Risikofaktoren assoziiert. Traditionelle Risikofaktoren machten dabei 32 %, beziehungsweise 38,9 % der Schlaganfälle aus.

Fazit: Jüngere Menschen im Alter von 35-45 Jahren entwickeln einen Schlaganfall eher aufgrund nicht-traditioneller Risikofaktoren wie einer Migräne als aufgrund von traditionellen Risikofaktoren wie Bluthochdruck.

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Quelle: Leppert MH, Poisson SN, Scarbro S, Suresh K, Lisabeth LD, Putaala J, Schwamm LH, Daugherty SL, Bradley CJ, Burke JF, Ho PM. Association of Traditional and Nontraditional Risk Factors in the Development of Strokes Among Young Adults by Sex and Age Group: A Retrospective Case-Control Study. Circ Cardiovasc Qual Outcomes. 2024 Mar 26:e010307. doi: 10.1161/CIRCOUTCOMES.123.010307. Epub ahead of print. PMID: 38529631.

Mikroben verantwortlich für trockenes Auge?

Mikrobielle Gemeinschaften in und auf unserem Körper – zusammenfassend als menschliche Mikrobiota bezeichnet – spielen eine wesentliche Rolle für unsere Gesundheit. Obwohl sich viele Studien bisher auf mikrobielle Gemeinschaften in unserem Darm konzentrierten, ist das Verständnis der an anderen Körperstellen vorhandenen Mikrobiota von entscheidender Bedeutung.
Forscher haben mithilfe fortschrittlicher Sequenzierungstechnologie festgestellt, wie sich die Mikrobenmischung bei Patienten mit gesunden Augen von der Mikrobenmischung bei Patienten mit trockenem Auge unterscheidet.
Pallavi Sharma, eine Doktorandin in Van Kleys Labor, hat Ihre Ergebnisse auf der Jahrestagung der American Society for Biochemistry and Molecular Biology Ende März in San Antonio vorgestellt:
„Untersuchungen zum menschlichen Mikrobiom deuten auf einen starken Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und dem Gehirn und den Augen hin… Jede Veränderung des Darmmikrobioms wirkt sich auf andere Organe aus und kann zu Krankheiten führen.“
Für die Studie wurden Abstriche am Auge bei 30 Freiwilligen veranlasst, woraufhin eine 16S-rRNA Sequenzierung und bioinformatische Analyse zur Bestimmung der Mikrobiomverteilung bei Patienten mit gesunden Augen im Vergleich zu solchen mit trockenen Augen durchgeführt wurde.
Die Analyse zeigte, dass Streptococcus- und Pedobacter-Bakterienarten die am häufigsten vorkommenden Mikroben in gesunden Augen waren, während im Augenmikrobiom von Menschen mit trockenem Auge mehr Acinetobacter-Arten vorhanden waren. „Wir glauben, dass die von diesen Bakterien produzierten Metaboliten für trockene Augen verantwortlich sind“, sagte Sharma. „Wir führen weitere Studien durch, um die mit Acinetobacter verbundenen Stoffwechselwege zu verstehen und die Krankheit besser zu verstehen.“
Als Nächstes möchten die Forscher das Darmmikrobiom von Patienten mit trockenem Auge untersuchen, um besser zu verstehen, ob und wie es mit den beobachteten Unterschieden der Augenmikroben zusammenhängt.

____________________________________________________________________________________________________________________Quelle: American Society for Biochemistry and Molecular Biology

Geographische Atrophie: Aktuelle Studien- und Versorgungslage

Basierend auf positiven Phase III-Ergebnissen aus randomisierten placebokontrollierten Studien wurden im vergangenen Jahr die beiden Komplementinhibitoren Pegcetacoplan und Avacincaptad Pegol in den USA von der Food and Drug Administration (FDA) zur Behandlung der geografischen Atrophie zugelassen.

Der primäre Endpunkt bei den Zulassungsstudien war die Verlangsamung der Wachstumsgeschwindigkeit der geographischen Atrophie mit der Zeit. Hierbei wurden signifikante Therapieeffekte nachgewiesen.
Bezüglich der sekundären, funktionellen Punkte wurde keine Überlegenheit der Behandlung gegenüber der Kontrollgruppe mit der Komplementinhibitionstherapie gefunden. Allerdings erscheint der Endpunkt der bestkorrigierten zentralen Sehschärfe bei dieser Manifestationsform der AMD eher ungeeignet im Gegensatz zu den Anti-VEGF-Studien bei neovaskulärer AMD. In posthoc-Analysen wurden Therapieeffekte für Pegcetacoplan auch bezüglich der Netzhautfunktion gezeigt, so beispielsweise durch Mikroperimetrie-Untersuchungen im Randbereich der geographischen Atrophie, also in genau den Netzhautarealen, welche bei Progression der Erkrankung als nächstes betroffen werden.

Zum Zeitpunkt der Konzipierung der Phase III-Studie standen noch keine adäquaten funktionellen Messverfahren zur Verfügung. Zwar wurden Untersuchungen mit der Mikroperimetrie durchgeführt, doch erst mit weiteren Entwicklungen konnte durch Initiierung der Studien Messverfahren entwickelt werden, die eine deutlich bessere Aussicht besitzen, auch Funktionsvorteile der Therapie zu erfassen.
 In der Zwischenzeit hat sich die europäische Arzneimittelagentur (EMA) zunächst gegen eine Zulassung von Pegcetacoplan ausgesprochen. Aktuell soll nochmals eine Neubewertung stattfinden.

Eine Nichtzulassung würde bedeuten, dass Patienten mit geographischer Atrophie im Rahmen der AMD – im Gegensatz zu Patienten in den USA – keinen Zugang zu einer Therapie hätten. Alternativen stehen nicht zur Verfügung und werden auch bis auf Weiteres nicht verfügbar sein. Dabei könnten vor allen Dingen die Patienten profitieren, bei denen die foveale Sehschärfe noch nicht betroffen ist.
 Insofern ist eine Re-Evaluation seitens der EMA zu begrüßen.

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Quelle: Auszug aus Pro Retina Forschungsnewsletter 19.3. 2024

Diabetisches Makulaödem – ein potenziell neuer Wirkstoff in Erprobung

Eine kürzlich in Nature Medicine veröffentlichte Studie hat vielversprechende Erkenntnisse zu einem neuen Therapieansatz bei der Behandlung des diabetischen Makulaödems enthüllt. Die Studie legt nahe, dass ein experimentelles Medikament, Teil einer neuen Klasse von Therapeutika namens „Senolytika“, den Weg für erfolgreichere und länger anhaltende Behandlungen ebnen könnte.
In Zellkulturmodellen löste eine anhaltende Hyperglykämie in Untergruppen von Gefäßendothelzellen eine zelluläre Alterung aus, die zu einer gestörten transendothelialen Situation mit schlechter Barrierefunktion und zu Mikroentzündungen führte.
UBX1325 oder Foselutoclax bietet einen neuartigen Ansatz, indem es beschädigte, alternde Zellen in der diabetischen Netzhaut gezielt angreift und eliminiert.
Durch die Entfernung alternder Zellen aus der Gefäßeinheit hoffen die Forscher, eine Heilung der Netzhaut stimulieren, was im Mausmodell gezeigt werden konnte.
Anschließend wurde eine Phase-1-Sicherheitsstudie mit aufsteigender Einzeldosis von UBX1325 (Foselutoclax) bei Patienten mit fortgeschrittenem DME durchgeführt, für die eine Therapie mit antivaskulärem endothelialen Wachstumsfaktor nicht mehr als sinnvoll angesehen wurde.
Bemerkenswerterweise zeigte die Studie, dass nur eine Injektion von UBX1325 zu positiven Auswirkungen auf das Sehvermögen führte, die mindestens sechs Monate anhielten.
Derzeit bereitet UNITY Biotechnology UBX1325 in der Phase-2II-ASPIRE-Studie eine randomisierte, doppelt maskierte, aktiv kontrollierte Untersuchung vor. Daten aus dieser Studie werden für das vierte Quartal 2024 erwartet und werden weitere Einblicke in die potenzielle Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil des Wirkstoffes bieten.

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Quelle: Crespo-Garcia S, Fournier F, Diaz-Marin R, Klier S, Ragusa D, Masaki L, Cagnone G, Blot G, Hafiane I, Dejda A, Rizk R, Juneau R, Buscarlet M, Chorfi S, Patel P, Beltran PJ, Joyal JS, Rezende FA, Hata M, Nguyen A, Sullivan L, Damiano J, Wilson AM, Mallette FA, David NE, Ghosh A, Tsuruda PR, Dananberg J, Sapieha P. Therapeutic targeting of cellular senescence in diabetic macular edema: preclinical and phase 1 trial results. Nat Med. 2024 Feb;30(2):443-454. doi: 10.1038/s41591-024-02802-4. Epub 2024 Feb 6. PMID: 38321220.

Atersbedingte Kataraktoperationen mit NSAID und Kortikosteroiden

Systematische Überprüfung und Metaanalyse für die postoperative Behandlung altersbedingter Kataraktoperationen mit NSAID und Kortikosteroiden

Für diese Metaanalyse wurden verschiedene Datenbanken (Cochrane, Embase, PubMed, Scopus, Web of Science und CINAHL) mithilfe des Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses (PRISMA)-Systems nach Artikeln durchsucht. Die Bewertung wurde prospektiv bei PROSPERO registriert (CRD42022364733). Eingeschlossen wurden randomisierte, kontrollierte Studien mit Patienten, die sich einer altersbedingten Kataraktoperation unterzogen und mit Kortikosteroiden, NSAID oder einer Kombination davon behandelt wurden.
Insgesamt wurden 19 Studien eingeschlossen, wobei 3473 Patienten (3638 Augen) nach einer Kataraktoperation allein mit NSAID (n = 1479), Kortikosteroiden (n = 1307) oder einer Kombination (n = 687) behandelt wurden.
Die Kombinationsbehandlung zeigte 4 bis 6 Wochen nach der Operation eine bessere Sehschärfe im Vergleich zu Kortikosteroiden (MD = -0,01 logMAR, 95 %-KI: -0,02, -0,01, I2 = 0 %). Die Verabreichung von NSAID alleine zeigten im Vergleich zur Kortikoidmonotherapie nach 1 Woche (MD = -9,17 Photonen/ms, 95 %-KI = -16,52, -1,82, I2 = 94 %) und 2 Wochen (MD = –5.23 photons/ms, 95% CI = –8.35, –2.11, I2 = 94%) und 4 bis 6 Wochen (MD = -1,62 Photonen/ms, 95 %-KI = -3,03, -0,20, I2 = 93 %) einen geringeren Vorderkammerreizzustand. Darüber hinaus entwickelten Patienten, die mit NSAIDs behandelt wurden, 4 bis 8 Wochen nach der Operation eine geringere zentrale Makuladicke (MD = -13,26 µm, 95 %-KI = -18,66, -7,86, I2 = 81 %) im Vergleich zu Patienten, die mit Kortikosteroiden allein behandelt wurden. NSAID und Kombinationsbehandlungen wiesen nach 4-8 Wochen eine geringere Inzidenz eines zentralen Makulaödems auf (OR = 0,16, 95 %-KI = 0,07, 0,35, I2 = 61 %; OR = 0,21, 95 %-KI = 0,10, 0,45, I2 = 31 %) als Kortikosteroide allein.
Fazit: NSAID und Kombinationsbehandlungen können laut dieser Studie als wirksamere und sicherere Alternativen zu Kortikosteroiden allein bei der postoperativen Behandlung von Kataraktoperationen angesehen werden.

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Quelle: Haddad JE, Sabbakh NA, Macaron MM, Shaaban H, Bourdakos NE, Shi A, Saad B, Nakanishi H, Than CA, Daoud YJ. NSAIDs and Corticosteroids for the Postoperative Management of Age-Related Cataract Surgery: A Systematic Review and Meta-analysis. Am J Ophthalmol. 2024 Apr; 260:1-13. doi: 10.1016/j.ajo.2023.09.027. Epub 2023 Oct 4. PMID: 37797866.

Häufigkeit von infektiöser Keratitis bei der Hornhautvernetzung bei Keratokonus und Hornhautektasien in der Praxis

Häufigkeit von infektiöser Keratitis und anderen unerwünschten Ereignissen auf der Augenoberfläche bei der Hornhautvernetzung bei Keratokonus und Hornhautektasien in der Praxis: eine retrospektive Kohortenstudie.

Diese retrospektive Kohortenstudie hat 501 Epithel-Off-Corneal-Crosslinking (Epi-Off-CXL-)-Eingriffe eingeschlossen. Ziel war es, die Komplikationsraten von Epi-Off-CXL, welche in einer Praxis durchgeführt wurden, mit denen von Epi-Off-CXL zu vergleichen, die in einem sterilen Operationssaal durchgeführt wurden.

Es wurden keine Fälle von postoperativer infektiöser Keratitis beobachtet, während sterile Infiltrate bei 10 von 501 (2 %) Patienten auftraten, die alle gut auf eine topische Steroidtherapie ansprachen. Eine verzögerte Epithelisierung (> 7 Tage) trat bei 14 von 501 (2,79 %) Patienten auf. Es wurden keine weiteren unerwünschten Ereignisse festgestellt.
Eine Epi-Off-CXL-Behandlung in der Praxis scheint also nicht mit einem erhöhten Komplikationsrisiko im Vergleich zur Behandlung im Operationssaal verbunden zu sein.

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Quelle: Hafezi F, Torres-Netto EA, Kollros L, Lu NJ, Hafezi N, Mazzotta C, Aydemir ME, Hillen M. Rates of infectious keratitis and other ocular surface adverse events in corneal cross-linking for keratoconus and corneal ectasias performed in an office-based setting: a retrospective cohort study. Eye Vis (Lond). 2023 Sep 1;10(1):36. doi: 10.1186/s40662-023-00354-1. Erratum in: Eye Vis (Lond). 2023 Sep 25;10(1):41. PMID: 37653457; PMCID: PMC10472555.

CRISPR-Gentherapie für Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie

Medicines & Healthcare products Regulatory Agency (UK) und FDA (USA) genehmigen erste CRISPR-Gentherapie für Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie.

Die weltweit erste CRISPR-Cas9-Gene Editing-Therapie, die auf die Heilung der Sichelzellenanämie und der transfusionsabhängigen β-Thalassämie abzielt, ist in zwei Ländern zugelassen worden. Casgevy (exagamglogene autotemcel) ist die erste Therapie ihrer Art, die von Vertex Pharmaceuticals und CRISPR Therapeutics in Zug, Schweiz, hergestellt wird. Das grüne Licht der Medicines and Healthcare Products Agency ist ein großer wissenschaftlicher Erfolg für Vertex und CRISPR und ein Meilenstein für die Biotech-Branche.
Die Entscheidung des Vereinigten Königreichs, Casgevy für die Behandlung der Sichelzellkrankheit zuzulassen, basierte auf der überzeugenden Fähigkeit, schwere vasookklusive Krisen – schmerzhafte Entzündungsanfälle, die häufig einen Krankenhausaufenthalt erfordern – bei 28 von 29 Studienteilnehmern, zu beseitigen. Es bleibt abzuwarten, ob die Therapie auch langfristig die Zahl der Schlaganfälle und Organschäden verringern und – was entscheidend ist – die Lebenserwartung verlängern kann. Auch das langfristige Sicherheitsprofil ist derzeit noch unbekannt. Bislang gibt es bei den Studienteilnehmern, die die Therapie erhalten haben, keine Hinweise auf eine Gentoxizität aufgrund von Doppelstrangbrüchen in ihrer DNA durch die CRISPR-Technologie, aber diese Möglichkeit kann nicht endgültig ausgeschlossen werden.

Vertex wird Patienten aus früheren Studien zur Sichelzellkrankheit oder β-Thalassämie in eine 15-jährige Sicherheitsstudie einbeziehen, um Malignitäten, Mortalität und andere krankheits- und behandlungsbezogene Parameter zu verfolgen.
Bei der Sichelzellkrankheit ist das sauerstofftransportierende Protein in den roten Blutkörperchen, das Hämoglobin, beeinträchtigt. Gesundes Hämoglobin besteht aus zwei α-Ketten und zwei β-Ketten; Patienten tragen eine Punktmutation im β-Globin-Gen, die zu einer Substitution von Glutamat zu Valin an Position 6 der β-Globin-Kette führt. Diese Veränderung führt zu einer Struktur, die starre Polymere bildet, wenn kein Sauerstoff gebunden wird, wodurch die roten Blutkörperchen eine charakteristische Sichel- oder Halbmondform annehmen.
Casgevy behebt die Mutation bei der Sichelzellkrankheit nicht. Stattdessen soll es den Verlust des erwachsenen Hämoglobins ausgleichen, indem es das fetale Hämoglobin, den wichtigsten Sauerstoffträger im Fötus, der normalerweise kurz nach der Geburt abgeschaltet wird, induziert. Casgevy steigert die Expression von fetalem Hämoglobin, wobei aber die Menge in den roten Blutkörperchen können immer noch stark schwankt. Weiterhin können Sichelzellen gebildet werden, insbesondere wenn der Anteil des fetalen Hämoglobins am Gesamthämoglobin unter 20 % fällt, eine Schwelle, die als protektiv gilt.

Das CRISPR/Cas-Medikament wird im Labor eingesetzt, um genetische Fehler in zuvor entnommenen Knochenmarkstammzellen von Patienten zu korrigieren, sodass das Hämoglobin wieder korrekt produziert werden kann. Die veränderten Blutstammzellen werden dem Patienten über die Blutbahn verabreicht.
Zuvor müssen sich die Patienten jedoch einem myeloablativen Verfahren auf Busulfan-Basis unterziehen.
Nach der Re-Infusion müssen die Patienten mehrere Wochen lang im Krankenhaus bleiben, wobei sich die veränderten Zellen im Knochenmark ansiedeln sollen.
Die Behörde ist überzeugt, dass das Ergebnis eine lebenslange Wirkung haben könnte. Andere bestehende Therapien wie die hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT) stellen bereits eine wichtige alternative Behandlungsoption dar. Mit Kosten von etwa 400.000 Dollar ist sie auch wesentlich billiger als genetische Verfahren. Vergleichbar mit den Preisen anderer Gentherapien soll Casgevy bis zu 2 Millionen Dollar pro Patient kosten.

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Quelle: https://www.scientificamerican.com/article/fda-approves-first-crispr-gene-editing-treatment-for-sickle-cell-disease/#:~:text=On%20December%208%20the%20U.S.,blood%20cell%20shape%20and%20function.
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/147432/Britische-Arzneimittelbehoerde-laesst-erste-CRISPR-Gentherapie-gegen-Sichelzellanaemie-und-Beta-Thalassaemie-zu

Intelligente Kontaktlinsen reagieren auf UV- und Temperaturänderungen

Intelligente Kontaktlinsen haben in letzter Zeit als nichtinvasive diagnostische und therapeutische Medizinprodukte an Bedeutung gewonnen. In dieser Studie werden multifunktionale Kontaktlinsen vorgestellt, die auf UV-Strahlung und Temperatur reagieren können. Es wurden chromogene Materialien verwendet, die gleichzeitig in Poly(2-hydroxyethylmethacrylat) (pHEMA) Kontaktlinsen integriert wurden.
Diese Kontaktlinsen boten in ihrem inaktiven Zustand hervorragende UV- und Blaulichtblockerqualitäten (~45 %). Bei Aktivierung durch UV-Bestrahlung verdunkelten sich die transparenten Linsen augenblicklich und absorbierten Teile des sichtbaren Lichtspektrums. Die Absorptionsintensität und die vorübergehende Verfärbung der Übergangslinsen hingen in erster Linie von dem verwendeten photochromen Material ab.
Ebenso zeigten die temperaturabhängigen Kontaktlinsen deutliche farbmetrische Veränderungen als Reaktion auf Temperaturänderungen innerhalb des physiologischen Bereichs (33-38 °C). Die maximale Empfindlichkeit der thermochromen Linse lag bei 8 % des durchgelassenen Lichts pro Grad Celsius-Veränderung. Zudem zeigten physiochemische und morphologische Analyse ihre Eignung als Kontaktlinsen. Die multifunktionalen Kontaktlinsen können aufgrund ihrer Fähigkeit, auf UV-Strahlung und Temperaturschwankungen auf der Augenoberfläche zu reagieren, als intelligente Produkte eingesetzt werden.

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Quelle: Salih, A.E., Butt, H. Multifunctional transition and temperature-responsive contact lenses.Light Sci Appl 12, 271 (2023).

 

Rosuvastatin- versus Atorvastatin-Behandlung: höheres Risiko für Kataraktoperation in der Rosuvastatin-Gruppe?

Rosuvastatin- versus Atorvastatin-Behandlung bei Erwachsenen mit koronarer Herzkrankheit: Sekundäranalyse der randomisierten LODESTAR-Studie – höheres Risiko für neu auftretenden Diabetes mellitus und eine Kataraktoperation in der Rosuvastatin-Gruppe?
In dieser randomisierten, offenen, multizentrischen Studie vergleichen die Autoren die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit von Rosuvastatin mit der Behandlung mit Atorvastatin bei Erwachsenen mit koronarer Herzkrankheit.

In 12 Krankenhäusern in Südkorea wurden von 2016 bis 2019 4400 Erwachsene (Alter ≥19 Jahre) mit koronarer Herzkrankheit mittels 2×2-faktorieller Randomisierung entweder einer Behandlung mit Rosuvastatin (n=2204) oder Atorvastatin (n=2196) zugeteilt.
Der Hauptfokus der Studie lag auf einem zusammengesetzten Drei-Jahres-Kompositum aus allen Todesursachen, Myokardinfarkt, Schlaganfall oder einer Koronarrevaskularisation. Sekundäre Endpunkte waren Sicherheitsendpunkte: neu auftretender Diabetes mellitus, Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz, tiefe Venenthrombose oder pulmonale Thromboembolie, endovaskuläre Revaskularisierung bei peripherer Arterienerkrankung, Aortenintervention oder -chirurgie, Nierenerkrankung im Endstadium, Absetzen von Studienmedikamenten aufgrund von Unverträglichkeit, Kataraktchirurgie und eine Kombination von im Labor festgestellten Anomalien.

Bei Erwachsenen mit koronarer Herzkrankheit zeigten Rosuvastatin und Atorvastatin nach drei Jahren eine vergleichbare Wirksamkeit in Bezug auf die Gesamtheit der Todesursachen, Myokardinfarkte, Schlaganfälle oder koronare Revaskularisation.
Rosuvastatin wurde mit niedrigeren LDL-Cholesterinwerten, aber einem höheren Risiko für neu auftretenden Diabetes mellitus, der Antidiabetika erfordert, und für Kataraktoperationen im Vergleich zu Atorvastatin in Verbindung gebracht.

Bei anderen Sicherheitsendpunkten gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen.

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Quelle: Lee YJ, Hong SJ, Kang WC, Hong BK, Lee JY, Lee JB, Cho HJ, Yoon J, Lee SJ, Ahn CM, Kim JS, Kim BK, Ko YG, Choi D, Jang Y, Hong MK; LODESTAR investigators. Rosuvastatin versus atorvastatin treatment in adults with coronary artery disease: secondary analysis of the randomised LODESTAR trial. BMJ. 2023 Oct 18;383:e075837.

Metformin-Einsatz und altersbedingte Makuladegeneration bei Patienten ohne Diabetes

In dieser Fall-Kontroll-Studie gehen die Autoren der Frage nach, ob es einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Metformin und dem Schutz vor der Entwicklung einer altersbedingten Makuladegeneration (AMD) bei Patienten ohne Diabetes gibt.
Für diese Studie wurden Daten aus den Jahren 2006 bis 2017 aus der Merative MarketScan Research Database verwendet, einer landesweiten Datenbank für Versicherungsansprüche, die zwischen 27 und 57 Millionen Patienten in den USA mit einer Primär- oder Medicare-Zusatzversicherung umfasst.

Fälle mit AMD und Kontrollen ohne AMD im Alter von 55 Jahren oder älter wurden 1:1 nach Jahr, Alter, Anämie, Bluthochdruck, Region und Charlson Comorbidity Index Score gematcht. Dann wurden Fälle und entsprechende Kontrollen ohne Diabetesdiagnose ausgewählt. In Untergruppenanalysen wurden Fälle mit trockener AMD und die entsprechenden Kontrollgruppen ermittelt, um den Zusammenhang zwischen Metformineinnahme und AMD-Stadium bei Patienten ohne Diabetes zu untersuchen.
Bei 231 142 Fällen mit AMD und 232 879 angepassten Kontrollen, von denen keiner eine Diabetesdiagnose hatte, war die Einnahme von Metformin mit einer um 17 % geringeren Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer AMD verbunden.

Schlussfolgerungen und Bedeutung: In dieser Fall-Kontroll-Studie an einer Population ohne Diabetesdiagnose war die Einnahme von Metformin mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von AMD verbunden. Dieser Zusammenhang scheint nicht dosisabhängig zu sein.
Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass Metformin als therapeutisches Mittel zum Schutz vor AMD-Entwicklung bei Patienten ohne Diabetes nützlich sein könnte.

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Quelle: Aggarwal S, Moir J, Hyman MJ, Kaufmann GT, Flores A, Hariprasad SM, Skondra D. Metformin Use and Age-Related Macular Degeneration in Patients Without Diabetes. JAMA Ophthalmol. 2023 Nov 30:e235478.

Ehrung von Botond Roska und José-Alain Sahel mit dem „International Prize for Translational Neuroscience“ für die Entwicklung der Behandlung bei erblicher Erblindung

Chlamydomonas reinhardtii, eine winzige Grünalge, könnte der Schlüssel zur Behandlung der Blindheit sein. Dank ihrer lichtempfindlichen Proteine kann sich die Alge zum Licht bewegen. Diese als Channelrhodopsin bezeichneten Proteine ähneln dabei den lichtempfindlichen Molekülen in menschlichen Sinneszellen im Auge. Forschende haben das Gen für ein Channelrhodopsin in andere Zellen eingeschleust und diese so lichtempfindlich gemacht. Diese als Optogenetik bezeichnete Technik hat in den Neurowissenschaften viele neue Erkenntnisse gebahnt.

Botond Roska hat die Funktionen der verschiedenen Zelltypen in der Retina und die Auswirkungen von Gendefekten in diesen Zellen untersucht. Er entwickelte ein Verfahren, mit dem er Gene mithilfe harmloser Viren gezielt in bestimmte Zelltypen einschleusen kann. Auf diese Weise ist es Roska gelungen, die Sehfähigkeit von blinden Mäusen und menschlicher Netzhaut wiederherzustellen.
Botond Roska ist seit 2010 ist an der Medizinischen Fakultät und seit 2019 Professor an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel. Seit 2018 ist er einer der Gründungsdirektoren des Instituts für molekulare und klinische Ophthalmologie Basel. Dort leitet er eine Forschungsgruppe, die sich auf das Verständnis des Sehens und seiner Krankheiten sowie auf die Entwicklung von Gentherapien zur Wiederherstellung des Sehvermögens konzentriert.

Um das gentechnische Verfahren am Menschen zu erproben, entwickelte José-Alain Sahel eine Gentherapie für Menschen. Sahel erforscht als Augenarzt neue medikamentöse und Gen-Therapien und Netzhautprothesen, um erbliche oder altersbedingte Defekte der Netzhaut zu behandeln. Für eine klinische Studie behandelten die Forscher einen Patienten mit Retinitis Pigmentosa, der vor über einem Jahrzehnt erblindet war. Das Team brachte ein Gen für das lichtempfindliche Molekül Chrimson R in die Netzhaut des Patienten ein. Damit wurden sogenannte retinale Ganglienzellen lichtempfindlich gemacht. Diese Nervenzellen können natürlicherweise keine optischen Signale empfangen. Es dauerte fast fünf Monate, bis die Zellen das Protein dauerhaft produzierten und der Patient erste Seheindrücke wahrnehmen konnte. Das Team um José-Alain Sahel entwickelte zudem eine lichtverstärkende Brille, die die Signale in gelb-orangenes Licht umwandelt und sie in Echtzeit auf die Netzhaut des Patienten überträgt. Messungen der Hirnaktivität ergaben, dass dabei das Sehzentrum im Gehirn aktiviert wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass mit der optogenetischen Therapie die Sehkraft von Betroffenen mit Retinitis Pigmentosa zumindest teilweise wiederhergestellt werden kann. Allerdings ist es noch ein langer Weg, bis diese Behandlung Einzug in die Kliniken halten wird.

José-Alain Sahel wurde 1988 Professor für Augenheilkunde an der Universität Louis Pasteur in Straßburg und 2002 an der Sorbonne Universität in Paris sowie am University College London. 2008 gründete er das Vision Institute in Paris und leitete es bis 2021. Seit 2023 ist er emeritierter Professor an der Sorbonne Universität. Seit 2016 ist er Stiftungsprofessor und Vorsitzender des Vision Institute am University of Pittsburgh Medical Center.

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https://iob.ch
https://www.mpg.de/prizes/international-prize-for-translational-neuroscience

Zwei Zulassungen für die Therapie der Geographischen Atrophie (GA)

Die Hemmung des Komplementsystems hat nach den schwierigen Anfängen bemerkenswerte und schnelle Fortschritte als praktikable Behandlungsoption für die GA gezeigt.
Die geografische Atrophie, das Endstadium der trockenen AMD, für das bis vor Kurzem keine Behandlungsmöglichkeiten verfügbar war, hat sich in letzter Zeit als wichtiges Forschungsziel entwickelt. Die meisten der untersuchten Wirkstoffe sind die Komplementinhibitoren C3 und C5, relevante Faktoren bei der Entwicklung von Augenentzündungen und Zelltod.
Mit einem neuen Komplement-C5-Inhibitor erhielt Anfang August 2023 Iveric Bio die US-amerikanische FDA-Zulassung für IZERVAY™ (Avacincaptad Pegol intravitreale Lösung).
Die FDA-Zulassung basiert auf den klinischen Phase-3-Studien GATHER1 und GATHER2, in denen die Sicherheit und Wirksamkeit monatlicher intravitrealen Verabreichung von 2 mg IZERVAY untersucht wurde. Die Wachstumsrate der geographischen Läsion wurde zu Studienbeginn, nach 6 Monaten und nach 12 Monaten bewertet. In beiden Zulassungsstudien zeigte die Primäranalyse nach 12 Monaten eine statistisch signifikante Reduktion der GA-Wachstumsrate bei Patienten der Behandlungsgruppe im Vergleich zu Scheinbehandlungsgruppe. Die Verlangsamung des Krankheitsverlaufs wurde bereits nach 6 Monaten beobachtet, mit einer Verminderung der Wachstumsrate der Läsion um bis zu 35 % im ersten Behandlungsjahr.

Auch Komplement-C3-Inhibitor Pegcetacoplan (Syfovre; Apellis) wurde kürzlich von der FDA für GA zugelassen.
Die europäische Zulassung wurde bereits bei der EMA beantragt.
Nachdem eine Phase-2-Studie eine Verlangsamung des Fortschreitens der Krankheit gezeigt hatte, ergaben die Studien DERBY und OAKS (NCT03525600), deren primärer Endpunkt die Veränderung der Gesamtfläche der GA-Läsionen nach 12 Monaten ist, signifikante Veränderungen in der Wachstumsrate nach 18 Monaten in der Behandlungsgruppe. Leider konnte mit Pegcetacoplan keine funktionelle Verbesserung des Sehvermögens beobachtet werden.

Problematisch scheint, dass bei beiden Medikamenten die Konversionsrate zur neovaskulären AMD höher als bei der Scheinbehandlung ist.
Auch die Gentherapie könnte eine Rolle bei der Kontrolle von GA spielen. Gyroskop Therapeutics untersucht in der FOCUS-Studie einen Komplementfaktor I, GT005, bei dem das Medikament in den subretinalen Raum gespritzt wird.

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https://www.retinalphysician.com/issues/2023/january-february-2023/fda-approves-syfovre-as-first-treatment-for-geograhttps://www.retinalphysician.com/issues/2023/special-edition-2023/novel-targets-for-geographic-atrophyhttps://www.thepharmaletter.com/listing/regulation/us-fda-iveric-bio?tagid[]=19488&tagid[]=7249

Zusammenhang bei systemischer Medikamenteneinnahme zwischen Glaukom und Augeninnendruck: Das European Eye Epidemiology Consortium

Ziel dieser Metaanalyse war, einen möglichen Zusammenhang häufig verwendeter systemischer Medikamente mit Glaukom und Augeninnendruck (IOD) in der europäischen Bevölkerung herauszufinden.
11 bevölkerungsbasierte Kohortenstudien des European Eye Epidemiology Consortium umfassten Glaukomanalysen von 143.240 Teilnehmern und die IOP-Analysen von 47.177 Teilnehmern.

Die AutorInnen untersuchten eine Korrelation von 4 Kategorien systemischer Medikamente:
1. blutdrucksenkende Medikamente (B-Blocker, Diuretika, Kalziumkanalblocker [CCBs], A-Agonisten, Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitoren und Angiotensin-II-Rezeptorblocker),
2. Lipidsenkern,
3. Antidepressiva und
4. Antidiabetika bei Diabetes mellitus
mit Glaukomprävalenz und Augeninnendruck.

In den Metaanalysen der maximal angepassten multivariablen Modelle war die Verwendung von Kaziumkanalblockern (CCBs) mit einer höheren Prävalenz von Glaukomen verbunden (Odds Ratio [OR]: 1,23; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 1,08 bis 1,39). Dieser Zusammenhang war bei der Monotherapie von CCBs mit direkten Auswirkungen auf das Herz stärker (OR: 1,96; 95 %-KI: 1,23 bis 3,12).

Die Verwendung systemischer Betablocker war mit einem niedrigeren Augeninnendruck verbunden (B-Koeffizient 0,33 mmHg; 95 %-KI 0,57 bis 0,08 mmHg). Eine Monotherapie sowohl selektiver systemischer B-Blocker (b-Koeffizient 0,45 mmHg; 95 %-KI 0,74 bis 0,16 mmHg) als auch nichtselektiver systemischer B-Blocker (b-Koeffizient 0,54 mmHg; 95 %-KI 0,94 bis 0,15 mmHg). ) war mit einem niedrigeren Augeninnendruck verbunden. Es wurde ein erwartbarer Zusammenhang zwischen der Anwendung von Diuretika mit hoher Dosis und einem niedrigeren Augeninnendruck (b-Koeffizient 0,30 mmHg; 95 %-KI 0,47 bis 0,14 mmHg) gefunden. Keine anderen blutdrucksenkenden, lipidsenkenden Medikamente, Antidepressiva oder Antidiabetika waren mit einer Augeninnendruckänderung verbunden.

In dieser großen Studie konnten die Autorinnen einen Zusammenhang zwischen der Verwendung von CCB und einer höheren Glaukomprävalenz feststellen.
Darüber hinaus wurde ein Zusammenhang zwischen einem niedrigeren Augeninnendruck mit der systemischen Verwendung von Betablockern beobachtet und quantifiziert. Beide Erkenntnisse sind möglicherweise wichtig, da Glaukompatienten häufig systemische blutdrucksenkende Medikamente einnehmen.
Warum es eine Korrelation zwischen der Einnahme von Kalziumkanalblockern und Glaukomprävalenz gibt, ist unklar und sollte Gegenstand künftiger Forschungsanstrengungen sein.

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Vergroesen JE, Schuster AK, Stuart KV, Asefa NG, Cougnard-Grégoire A, Delcourt C, Schweitzer C, Barreto P, Coimbra R, Foster PJ, Luben RN, Pfeiffer N, Stingl JV, Kirsten T, Rauscher FG, Wirkner K, Jansonius NM, Arnould L, Creuzot-Garcher CP, Stricker BH, Keskini C, Topouzis F, Bertelsen G, Eggen AE, Bikbov MM, Jonas JB, Klaver CCW, Ramdas WD, Khawaja AP; European Eye Epidemiology Consortium. Association of Systemic Medication Use with Glaucoma and Intraocular Pressure: The European Eye Epidemiology Consortium. Ophthalmology. 2023 Sep;130(9):893-906. doi: 10.1016/j.ophtha.2023.05.001. Epub 2023 May 6. PMID: 37150298.

Drainage-System vs. Trabekulektomie: Sekundäre Behandlungsergebnisse nach einem Jahr der IRIS-Registerstudie

In diesem Artikel werden die einjährigen sekundären Ergebnisse in der Registerstudie Tube Versus Trabeculectomy IRIS® (Intelligent Registry In Sight) (TVTIRIS) beschrieben und mit der randomisierten kontrollierten TVT-Studie (TVTRCT) verglichen.
Das IRIS-Register der Jahre 2013–2017 wurde herangezogen, um Augen herauszufiltern, die nach einer früheren Trabekulektomie und/oder Kataraktoperation ein Glaukom-Drainage-Implantat oder eine Trabekulektomie erhalten hatten. Ausgewertet wurden die Ergebnisse bei einer einjährigen Nachbeobachtungszeit.

Die TVTRCT verglich die Ergebnisse des Baerveldt-350-mm2-Glaukomimplantats mit einer Trabekulektomie bei ähnlichen Augen.
In der TVTIRIS-Kohorte kam es in den Gruppen mit Drainage-System (N = 236, 56,3 %) und Trabekulektomie (N = 183, 43,7 %) zu ähnlichen und signifikanten Senkungen des Augeninnendrucks vom Ausgangswert. In der Drainage-System-Gruppe sank der Augeninnendruck von 26,6 ± 6,5 mmHg zu Studienbeginn auf 14,3 ± 4,8 mmHg nach einem Jahr. In der Trabekulektomie-Gruppe sank der Augeninnendruck von 25,3 ± 6,4 mmHg zu Studienbeginn auf 13,5 ± 5,2 mmHg.
Die Trabekulektomie-Gruppen aus beiden Studien wiesen nach einem Jahr ähnliche (p = 0,18) Drucksenkungsergebnisse auf, wobei in der TVTRCT-Kohorte zu jedem Zeitpunkt weniger drucksenkende Medikamente verabreicht wurden (p < 0,01). In den beidem Drainage-System-Studien gab es mehr ausgeprägte Differenzen des mittleren Augeninnendruckes und Medikamentengabe – vermutlich aufgrund der Einbeziehung von Drainage-Systemen mit Ventil in TVTIRIS.
Bei TVTIRIS wurden mehr Re-Operationen dokumentiert.

Der Vergleich der beiden Studienansätze ergab, dass sowohl RCTs (randomized controlled trials) als auch die Auswertung elektronischer Patientenakten unschätzbare Einblicke in die Erfolgsquote chirurgischer Interventionen liefern können.

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Sun CQ, McSoley MJ, Lum F, Chang TC, Gedde SJ, Vanner EA. Tube Versus Trabeculectomy IRIS Registry Study: One-Year Secondary Treatment Outcomes. Am J Ophthalmol. 2023 Aug 23:S0002-9394(23)00337-9. doi: 10.1016/j.ajo.2023.08.011. Epub ahead of print. PMID: 37625509.

Retinitis-Pigmentosa- Gentherapie von EMA für klinische Prüfung genehmigt

Der Wirkstoff VG901 der Firma ViGeneron wurde als neuartige Gentherapie zur Behandlung der CNGA1-assoziierten Retinitis pigmentosa (RP) zugelassen.
VG901 beinhaltet den Vigenerons firmeneigenen adeno-assoziierten Virus-Vektor vgAAV, um das CNGA1-Gen mittels intravitrealer Injektion zu verabreichen. Durch die direkte Verabreichung in den Glaskörper des Auges soll das Risiko von Netzhautschäden, die mit einer sonst verwendeten subretinalen Injektion verbunden ist, verringert werden. Der firmeneigene AAV-Vektor wurde speziell für diese Prozedur angepasst.
Die klinische Dosisfindungsstudie der Phase Ib wird die Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit von VG901 bei RP-Patienten mit CNGA1-Mutationen auf beiden Allelen untersuchen. Die Studie ist Teil einer internationalen Zulassungsstrategie für die klinische Entwicklung von VG901.
In präklinischen Studien hat Vigeneron gezeigt, dass VG901 das CNGA1-Gen in einem Mausmodell für RP ergänzen kann. Darüber hinaus bestätigte eine GLP-Sicherheitsstudie mit einer einzigen intravitrealen Injektion und anschließender 6-monatiger Nachbeobachtung das Sicherheitsprofil von VG901.
Derzeit ist jedoch noch nicht bekannt, wann und wo die klinische Studie starten wird.

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https://transkript.de/news/gentherapiestudie-von-vigeneron-von-ema-genehmigt.html

Erhöhtes Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie oder Tod nach retinalem Venenverschluss?

Zwei Kohorten mit einer Patientenzahl von je ca. 45000 Individuen wurde retrospektiv untersucht, um die Häufigkeit von Schlaganfällen, Herzinfarkten, tiefen Venenthrombosen, Lungenembolien und Todesfällen bei Patienten nach Netzhautvenenverschluss (RVV) im Vergleich zu Kontrollpersonen (Patienten mit Katarakt) zu vergleichen. Ausgeschlossen wurden Individuen mit einer Vorgeschichte eines thromb-embolischen Ereignisses in den 2 Jahren vor Diagnosestellung, Katarakt oder RVV.

In der RVV-Kohorte bestand im Vergleich zur Kontrollkohorte nach 1 (RR: 1,30, p<0,01), 5 (RR: 1,22, p<0,01) und 10 Jahren (RR: 1,08, p<0,01) ein erhöhtes Sterberisiko, sowie ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko nach 1 (RR: 1,61, p<0,01), 5 (RR: 1,31, p<0,01) und 10 Jahren (RR: 1,18, p<0,01).
Das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden war in der RVV Gruppe nach 1 (RR: 1,26, p < 0,01) und 5 Jahren (RR: 1,13, p < 0,01), jedoch nicht nach 10 Jahren (RR: 1,06, p = 0,12) erhöht.
Nach einem Jahr bestand ein leicht erhöhtes Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose (RR: 1,65, p<0,01), jedoch nicht nach 5 Jahren (RR: 0,94, p=0,94) oder nach 10 Jahren (RR: 1,05, p=0,37).
Nach 1 (RR: 0,98, p=0,80), 5 (RR: 0,95, p=0,42) oder 10 Jahren (RR: 0,85, p=0,40) bestand kein erhöhtes Risiko einer Lungenembolie.
Die Autoren betonen die Notwendigkeit einer langfristigen systemischen Betreuung nach einem retinalen Venenverschluss.

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Wai KM, Ludwig CA, Koo E, Parikh R, Mruthyunjaya P, Rahimy E. Risk of Stroke, Myocardial Infarction, Deep Vein Thrombosis, Pulmonary Embolism, and Death after Retinal Vein Occlusion. Am J Ophthalmol. 2023 Sep 1:S0002-9394(23)00352-5. doi: 10.1016/j.ajo.2023.08.022. Epub ahead of print. PMID: 37660963.

AI-Human-Hybrid: Verbesserte Teleophthalmologie für Retinopathie-Screening

AI-Human-Hybrid-Workflow verbessert die Teleophthalmologie für das Screening auf diabetische Retinopathie

Die Zahl der Menschen mit Diabetes mellitus nimmt weltweit zu. Selbst bei der derzeitigen Prävalenz haben schätzungsweise nur 15,3 % der Betroffenen Zugang zu den empfohlenen Augenuntersuchungen. Sogenannte Store-and-Forward-Verfahren teleophthalmologischer Screening-Programme, die mit auf künstlicher Intelligenz (KI) basierender Bildinterpretation arbeiten, bieten sich als eine Alternative zur persönlichen Untersuchung durch Spezialisten an.
Im Rahmen der folgenden Studie wird die diagnostische Leistung von IDx-DR (Digital Diagnostics Inc., Coralville, IA- ein von der FDA zugelassenes autonomes Testgerät für DR) mit humanbasierter Teleophthalmologie über zweieinhalb Jahre verglichen.
Darüber hinaus evaluieren die Autoren einen KI-Mensch-Hybrid-Workflow, der das Screening von KI-Systemen mit einer fachmännischen, menschlichen Beurteilung, für Fälle mit einer Indikation zur Weiterbetreuung, kombiniert. Teilnehmer dieser prospektiven Kohortenstudie waren Diabetiker ab 18 Jahren ohne DR-Diagnose oder DR-Untersuchung im vorherigen Jahr, die sich für ein routinemäßiges DR-Screening in einer Klinik für Grundversorgung vorstellten.

Die Ergebnisse wurden retrospektiv analysiert.

Makula- und Sehnerven-zentrierte Fundusfotos (in Miosis aufgenommen) wurden durch einen KI-Algorithmus ausgewertet, gefolgt von einer konsensbasierten Auswertung durch Netzhautspezialisten im Stanford Ophthalmic Reading Center (STARC). Bei Nachweis einer mehr als milden diabetischen Retinopathie (MTMDR) wurde dieser mit einer persönlichen Untersuchung durch einen Netzhautspezialisten verglichen.
Der AI-Algorithmus hatte eine höhere Sensitivität (95,5 % Sensitivität; 95 % Konfidenzintervall (KI), 86,7–100 %), aber eine geringere Spezifität (60,3 % Spezifität; 95 % KI, 47,7–72,9 %) für die Erkennung einer MTMDR im Vergleich zu Fernbildinterpretation durch Netzhautspezialisten (69,5 % Sensitivität, 95 % KI 50,7–88,3 %; 96,9 % Spezifität, 95 % KI 93,5–100 %).

Auch die Einteilung in Gradierungen der Fälle fiel beim KI-Algorithmus geringer (62,5 %) als bei den Netzhautspezialisten (93,1 %) aus.

Ein zweistufiger KI-Mensch-Hybrid-Workflow, bei dem der KI-Algorithmus zunächst eine Bewertung durchführte und dann ein Netzhautspezialist die MTMDR-positiven Ergebnisse mit beurteilte, ergab eine Sensitivität von 95,5 % (95 %-KI 86,7–100 %) und eine Spezifität von 98,2 % (95 %-KI 94,6–100 %). In ähnlicher Weise verbesserte ein zweistufiges Overread, bei von der KI-nicht bewertbaren Bildern durch Retina-Spezialisten, die Bewertbarkeit von 63,5 % auf 95,6 %.

ZUSAMMENFASSUNG:

Die Studie zeigt die Machbarkeit eines hybriden Caseload-Sharing-Modells, das sowohl autonome KI als auch Store-and-Forward-Teleophthalmologie für das Screening auf diabetische Retinopathie kombiniert. Das System startet mit einem autonomen KI-basierten Screening, das für die meisten Patienten eine Diagnose stellt und fast alle Fälle mit MTMDR erfasst. Die geringere Spezifität der AI im Vergleich zu menschlichen Experten kann durch einen KI-Mensch-Hybrid-Workflow ausgeglichen werden, bei dem positive Fälle vor der Überweisung zur persönlichen Untersuchung durch Experten nochmals kontrolliert werden. Ebenso können fast alle Patienten, deren Aufnahmen durch die KI kein Ergebnis liefern konnten, von einem erfahrenen Leser aus der Ferne asynchron beurteilt werden.

Somit kann eine hybride Implementierung von KI, in einem auf Menschen basierenden Teleophthalmologie-DR-Screeningsystem, sowohl die Abhängigkeit von der Expertise menschlicher Spezialisten verringern als auch die diagnostische Genauigkeit verbessern.

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Quelle: Eliot R. Dow, M.D., Ph.D. ,Nergis C. Khan, A.B. ,Karen M. Chen et al.;AI-Human Hybrid Workflow Enhances Teleophthalmology for Diabetic Retinopathy Screening, , JournalPre-Proof, May 12, 2023,DOI:https://doi.org/10.1016/j.xops.2023.100330

Die Design-Pille aus dem 3-D-Drucker

Der Auflösungsprozess ist ein allgegenwärtiges und zugleich faszinierendes Phänomen. Objekte mit der gleichen Masse, aber unterschiedlichen Formen können sich unterschiedlich schnell auflösen, was bei Medikamenten wie Tabletten wiederum zu schnellen und verzögerten Freisetzungsprofilen ihres Wirkstoffes führt. Mit dem 3-D-Druck können komplexe Formen hergestellt werden, die neue Möglichkeiten für die Entwicklung angepasster Designs zur kontrollierten Freisetzung von Medikamenten eröffnen.
Eine Gruppe um Vahid Babaei, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Informatik, und Julian Panetta, Professor an der University of California in Davis, errechnete die Auflösungszeit verschiedener Formen von Tabletten durch mathematische Modellierung und Experimente. Das Team setzt dabei erstmals auf ein inverses Design und die sogenannte Topologieoptimierung.

Erst legten sie das Zeitintervall fest, in dem die Pille ihren Wirkstoff freisetzen soll. Dann berechneten sie die Form, die genau dieses Freisetzungsprofil aufweist. Dafür nutzten sie ein Modell, welches errechnet, wie sich Körper mit unterschiedlichen Formen in einer Flüssigkeit auflösen. Diese Formen druckte das Team nun aus einem wasserlöslichen Material, das im 3-D-Druck auch kommerziell verwendet wird. Und die im Computer designten Tablettenmodelle lösten sich ziemlich genau im zuvor berechneten Zeitintervall auf. Damit sich auch Tabletten mit bizarren Formen noch schlucken lassen, könnten sie aus einem weichen Trägermaterial produziert oder mit einer schnell löslichen Kapsel umhüllt werden.
Dieser Ansatz könnte für die pharmazeutische Industrie hochinteressant sein.
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Quelle: Julian Panetta,Haleh Mohammadian, Emiliano Luci, Vahid Babaei,Shape from Release: Inverse Design and Fabrication of Controlled Release Structures
ACM Transactions on GraphicsVolume 41Issue 6, Article No.: 274pp 1-14   / https://www.mpg.de/20337950/tablette-3d-druck-wirkstoff-freisetzung

Niedrig dosiertes Atropin zur Myopiekontrolle bei Kindern (AIM)

Protokoll für eine randomisierte, kontrollierte, doppelblinde, multizentrische klinische Studie mit zwei parallelen Armen in Deutschland

AIM ist eine nationale, multizentrische, prospektive, randomisierte, placebokontrollierte, Doppelt-Blindstudie mit zwei parallelen Armen mit einer Gesamtnachbeobachtungszeit von drei Jahren. Momentan nehmen 18 Studienzentren in Deutschland daran teil.
Es werden nur Kinder kaukasischer Abstammung rekrutiert, um Informationen über diese Population bereitzustellen, da für sie nur begrenzte Daten zur Myopiekontrolle vorliegen.
Die Entwicklung der Myopie wird sowohl durch Messung der zykloplegischen Refraktion als auch der axialen Länge beurteilt.
Aus ethischen Gründen wird die Kontrollgruppe nur ein Jahr lang mit Placebo behandelt, danach wird die Therapie mit 0,01 % Atropin fortgesetzt.
Das primäre Ziel ist es, die Wirksamkeit von 0,02 % Atropin-Augentropfen zur Myopiekontrolle bei Kindern kaukasischer Herkunft zu bewerten. Der primäre Endpunkt ist die Veränderung der zykloplegischen Refraktion nach einem Behandlungsjahr (D/Jahr).  Sekundäre und tertiäre Ergebnismaße umfassen die Veränderung der Achsenlänge (mm/Jahr) bei Kindern, die mit 0,02 % Atropin im Vergleich zu Placebo behandelt wurden, die Myopieprogression bei Teilnehmern, die mit 0,01 % im Vergleich zu 0,02 % Atropin behandelt wurden (D/Jahr und mm/Jahr) und das Sicherheitsprofil von 0,02 % und 0,01 % Atropin.
Darüber hinaus wird die Myopieentwicklung ein Jahr nach Beendigung der Therapie mit 0,02 % Atropin ausgewertet.
Weitere Einschlusskriterien: Kinder im Alter von 8–12 Jahren und eine Myopie von −1 D bis −6 D ,bei einer geschätzten jährlichen Myopieprogression von ≥0,5 D.

Ergänzende Teilstudie – Genetik von Atropin zur Myopiekontrolle bei Kindern (GAME)

Die GAME-Studie ist eine Teilstudie zu AIM. Den Teilnehmern der AIM-Studie wird die Möglichkeit angeboten, ihren individuellen Genetic Myopia Risk Score (GRS) zu bestimmen und den GRS mit der Wirksamkeit einer niedrig dosierten Atropintherapie in Beziehung zu setzen. Zu diesem Zweck werden Mundschleimhautabstriche gesammelt.

Um eine statistische Aussagekraft von 80 % zu erreichen, sind insgesamt 300 Studienteilnehmer geplant. Studienstart war im Oktober 2021 und bis zum 17.4.2023 wurden bereits 150 Kinder rekrutiert.

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Quelle: Farassat N, Böhringer D, Küchlin S, Molnár FE, Schwietering A, Seger D, Hug MJ, Knöbel AB, Schneider-Fuchs S, Ihorst G, Wabbels B, Beisse C, Ziemssen F, Schuettauf F, Hedergott A, Ring-Mangold T, Schuart C, Wolf A, Schmickler S, Biermann J, Eberwein P, Hufendiek K, Eckstein A, Gusek-Schneider G, Schittkowski M, Lischka T, Lagrèze WA. Low-dose AtropIne for Myopia Control in Children (AIM): protocol for a randomised, controlled, double-blind, multicentre, clinical trial with two parallel arms. BMJ Open. 2023 Apr 20;13(4):e068822. doi: 10.1136/bmjopen-2022-068822. PMID: 37080623; PMCID: PMC10124292.

Warum bekommen Bären im Winterschlaf keine Thrombose?

Bei kurzfristigen Immobilitätssituationen nach Verletzungen oder Operationen sind venöse Thromboembolien, wie die tiefe Venenthrombose und Lungenembolien, häufige unerwünschte Komplikationen. Paradoxerweise sind Braunbären im Winterschlaf (langfristig immobilisiert) und Patienten mit Querschnittverletzungen vor dieser Problematik geschützt.

Im Rahmen dieser Studie wurde ein dafür erklärender Mechanismus entdeckt, der bei Braunbären wie auch bei Querschnittsgelähmten vorkommt:
Bei Braunbären werden im Winterschlaf insgesamt 71 Proteine hoch- und 80 herunterreguliert. Das Blutplättchen-Protein mit der größten Differenz zwischen überwinternden und aktiven Bären war das sogenannte Hitzeschockprotein 47, kurz HSP47, das in den überwinternden Bären um das 55-fache herunterreguliert war. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass das Absenken von HSP47 unter Langzeitimmobilisation in verschiedenen Säugetierarten, wie Menschen, Braunbären und Schweinen vorkommt und somit ein evolutionär konservierter, artübergreifender Mechanismus der Thromboseprävention ist.
Durch einen geringen HSP47-Proteinlevel reduziert sich die Interaktion der Blutplättchen und Entzündungszellen – und damit die Thromboseneigung.
Diese neue entdeckte, evolutionär konservierte Thrombozytensignatur kann in Zukunft Grundlage zur Entwicklung neuer Therapeutika sein.
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Quelle: Thienel M, Müller-Reif JB, Zhang Z, Ehreiser V, Huth J, Shchurovska K, Kilani B, Schweizer L, Geyer PE, Zwiebel M, Novotny J, Lüsebrink E, Little G, Orban M, Nicolai L, El Nemr S, Titova A, Spannagl M, Kindberg J, Evans AL, Mach O, Vogel M, Tiedt S, Ormanns S, Kessler B, Dueck A, Friebe A, Jørgensen PG, Majzoub-Altweck M, Blutke A, Polzin A, Stark K, Kääb S, Maier D, Gibbins JM, Limper U, Frobert O, Mann M, Massberg S, Petzold T. Immobility-associated thromboprotection is conserved across mammalian species from bear to human. Science. 2023 Apr 14;380(6641):178-187. doi: 10.1126/science.abo5044. Epub 2023 Apr 13. PMID: 37053338.

Beziehung? Demodex-Befall und Operation Grauer-Star?

Gibt es eine Beziehung zwischen Demodex-Befall und der Grauen-Star-Operation?

In dieser kleinen prospektiven, nicht-komparativen Studie war die Fragestellung, ob bei Patienten nach einer Katarakt-Operation eine erhöhte Inzidenz mit Haarbalgmilben-Befall (Demodex) der Wimpern nachgewiesen werden kann.
Dafür wurde einer Kohorte von Patienten, präoperativ mehrere Wimpern entfernt und auf das Vorhandensein der Demodex-Milbe untersucht. 3 Wochen nach Operation wurden wieder einige Wimpern entfernt und nach der Milbe gesucht, wobei alle Patienten post-operativ lokale Steroide als Tropftherapie erhalten hatten.
Insgesamt wurden 62 Patienten in die Studie eingeschlossen (31 Männer und 31 Frauen).
In der Demodex-positiven Gruppe betrug das Verhältnis von Männern zu Frauen 2:3 (P = 0,2772). Eine Demodex-Kolonisierung wurde in 22,58 % der Proben vor einer Kataraktoperation und in 32,26 % nach einer Kataraktoperation unter der topischen postoperativen Steroidtherapie beobachtet (P = 0,0143).

Somit zeigt sich ein statistisch signifikanter Anstieg der Demodex-Besiedlung der Wimpern nach einer Kataraktoperation. Obwohl die Kolonisierung mit Demodex nicht unbedingt eine Blepharitis auslösen muss, sollte bei Patienten, die über chronische Augenbeschwerden nach einer Kataraktoperation klagen, eine Demodex-Blepharitis in Betracht gezogen werden.

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Quelle: Feldman I, Krausz J, Levinkron O, Gutovitz J, Edison N, Cohen E, Krauthammer M, Briscoe D. Is Demodex Blepharitis connected with cataract surgery? Am J Ophthalmol. 2023 May 29:S0002-9394(23)00218-0. doi: 10.1016/j.ajo.2023.05.016. Epub ahead of print. PMID: 37257549.

Meibom-Drüsen-Dysfunktion:

Einmal wöchentlich oral verabreichtes Azithromycin über 3 Wochen vs. täglich verabreichtes orales Doxycyclin über 6 Wochen bei mittelschwerer bis schwerer Meibom-Drüsen-Dysfunktion: Eine randomisierte klinische Studie

Die Autoren führten eine randomisierte Studie bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Meibom-Drüsen-Dysfunktion durch. Insgesamt wurden 137 Patienten randomisiert jeweils der Azithromycin- und Doxycyclin-Gruppe zugeordnet (68 bzw. 69 Augen).
Das Therapieschema in den Gruppen war folgendes: Azithromycin oral 1 g einmal pro Woche für drei Wochen oder oral Doxycyclin 200 mg täglich für sechs Wochen.
Die Ergebnisse zeigen eine äquivalente Wirkung von Azithromycin im Vergleich zu Doxycyclin für den MGD-Score und den OSDI-Score zu beiden Nachbeobachtungszeitpunkten (nach 6 und 8 Wochen). Die Studie zeigte weniger gastrointestinale Nebenwirkungen in der Azithromycin-Gruppe (4,4 gegenüber 15,9 Prozent).

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Upaphong P, Tangmonkongvoragul C, Phinyo P. Pulsed Oral Azithromycin vs 6-Week Oral Doxycycline for Moderate to Severe Meibomian Gland Dysfunction: A Randomized Clinical Trial. JAMA Ophthalmol. 2023 Mar 23:e230302.

REVISION: Reperfusionstherapieakuten bei Zentralarterienverschluss

Frühzeitige Reperfusionstherapie mit Alteplase bei nicht-arteriitischem, akuten Zentralarterienverschluss

Mit einer Inzidenz von ca. 1:100000 handelt es sich beim Zentralarterienverschluss um eine seltene Krankheit. Bisher sind die Handlungsoptionen bei Auftreten enorm begrenzt, wobei das akute Geschehen nicht selten in einer Erblindung des Auges resultiert.

Bei REVISION handelt es sich um eine doppelblinde und Placebo-kontrollierte klinische Studie, in der 400 Patientinnen und Patienten eingeschlossen werden sollen, bei der in der Behandlungsgruppe durch eine parenterale Thrombolyse (innerhalb von 4.5 h) die Reperfusion der Netzhautgefäße erreicht werden soll.
Momentan sind 22 deutsche Zentren an der Studie beteiligt.

Der rekombinante gewebespezifische Plasminogenaktivator (rt-PA) Alteplase wird im Rahmen dieser Studie von der Firma Böhringer gestellt. Alteplase wird bereits als venös verabreichtes Fibrinolytikum zur Thrombolyse bei Lungenembolie, Herzinfarkt oder ischämischem Apoplex eingesetzt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt mit rund 4 Mio. Euro diese Studie.

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https://revision-trial.de/news/
Schultheiss M, Spitzer MS, Hattenbach LO, Poli S. Update intravenöse Lysetherapie: Die REVISION-Studie [Update on intravenous lysis treatment: The REVISION trial]. Ophthalmologe. 2021 Nov;118(11):1107-1112. German. doi: 10.1007/s00347-021-01467-5. Epub 2021 Aug 5. PMID: 34351478.

15-Jahres-Ergebnisse: progressiver Keratokonus

Korneales Cross-Linking mit Riboflavin und UVA-Licht (CXL) bei progressivem Keratokonus

In diese retrospektive, interventionelle Follow-up-Studie wurden Patienten mit progressivem Keratokonus, die von 2001 bis 2006 an der Augenklinik des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus in Dresden behandelt wurden, eingeschlossen. Das CXL wurde durch Anwendung von Riboflavin und ultraviolettem A (UVA)-Licht gemäß eines Standardprotokolls durchgeführt. Vor Behandlung und 15 Jahre danach wurde der bestkorrigierte Fernvisus, die Spaltlampenuntersuchung, Hornhauttopografie sowie Hornhautdicke dokumentiert.

Insgesamt konnten 42 Augen mit einem Durchschnittsalter der Patienten von 26,9 Jahre bei Basisuntersuchung ausgewertet werden.
Die Keratometrie betrug 61,6 (95 % KI: 58,2 – 64,9) dpt präoperativ und 55,1 (95 % KI: 51,6 – 58,4) dpt postoperativ; die Abnahme war statistisch signifikant (p < 0,001). Der mittlere Keratometriewert änderte sich von 50,3 (95 % KI: 48,3–52,4) dpt auf 47,5 (95 % KI: 45,3–49,4) dpt (p < 0,001). Darüber hinaus verringerte sich die dünnste Hornhautdicke statistisch signifikant um 40 (95 % KI: 24-56) µm (P < 0,001).  Der BCVA verbesserte sich nach der Behandlung statistisch signifikant von 0,4 auf 0,2 logMAR.  Eine leichte Vernarbung der oberflächlichen, stromalen Hornhautschichten wurde bei 36 % der Augen beobachtet, und bei 67 % von ihnen war die Sehschärfe stabil oder sogar verbessert. In 14 % der Fälle war eine Re-Therapie erforderlich.

Dieses Verfahren hat sich somit bei der Behandlung fortgeschrittener Keratokonusaugen als nachhaltig wirksame Methode erwiesen, die eine Stabilisierung ohne schwerwiegende Komplikationen oder Nebenwirkungen erreichen kann.

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Raiskup F, Herber R, Lenk J, Ramm L, Wittig D, Pillunat LE, Spoerl E. Corneal Crosslinking With Riboflavin and UVA Light in Progressive Keratoconus: Fifteen-Year Results. Am J Ophthalmol. 2023 Feb 1;250:95-102. doi: 10.1016/j.ajo.2023.01.022. Epub ahead of print. PMID: 36736417.

Zulassungsantrag bei der FDA: CRISPR

CRISPR-basierte Zelltherapie zur Behandlung der Sichelzellenanämie (SCD) und Beta-Thalassämie (TDT)

 

Der Genom-Editor exa-cel von Vertex und CRISPR Therapeutics hat für die Behandlung von zwei Hämoglobinopathien, der Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie, erstmals einen Zulassungsantrag bei der FDA gestellt.
 Dieser Antrag wird durch Ergebnisse laufender Phase-3-Studien CLIMB-111 und CLIMB-121 sowie einer Langzeit-Follow-up-Studie CLIMB-131 untermauert. Die Daten aus den Phase-3-Studien wurden zuletzt auf der Jahrestagung der American Society of Hematology im Dezember 2022 vorgestellt.
Studienteilnehmern werden ihre eigenen hämatopoetischen Stamm- und Vorläuferzellen aus dem peripheren Blut entnommen.
Die aufbereiteten Zellen, Exa-Cel, werden dem Patienten dann im Rahmen einer autologen hämatopoetischen Stammzelltransplantation reinfundiert, wobei parallel dazu eine myeloablative Busulfan-Konditionierung durchgeführt wird.
Die ex-vivo-Therapie ist dahingehend ausgerichtet, eine hohe Konzentration an fetalem Hämoglobin (HbF), das sauerstofftragende Hämoglobin im Fetalstadium, welches nach der Geburt in die erwachsene Form des Hämoglobins übergeht, in roten Blutkörperchen zu produzieren. Die Erhöhung des HbF durch den Geneditor Exa-Cel hat das Potenzial, schmerzhafte und schwächende vasookklusive Krisen für Patienten mit SCD, sowie den Transfusionsbedarf für Patienten mit TDT zu reduzieren oder gar zu beseitigen.

Eine Entscheidung der Behörde über die Gene-Editing-Behandlung wird innerhalb von 8 bis 12 Monaten erwartet. Die Unternehmen haben auch in Europa und im Vereinigten Königreich einen Zulassungsantrag gestellt.

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https://crisprtx.com/about-us/press-releases-and-presentations/crispr-therapeutics-and-vertex-complete-submission-of-rolling-biologics-license-applications-blas-to-the-us-fda-for-exa-cel-for-the-treatment-of-sickle-cell-disease-and-transfusion-dependent-beta-thalassemia
https://transkript.de/news/erste-crisprcas-therapie-strebt-zulassung-an.htm